Was bedeutet es, wenn manche (auch Tolkien selbst) ihn den "Herausgeber"
des Herren der Ringe nennen?
Tolkien versuchte, die Illusion aufzubauen, daß Der Herr der Ringe (und auch Der kleine Hobbit und Das Silmarillion) tatsächlich alte Manuskripte seien (von Frodo bzw. Bilbo verfaßt) und daß er selbst nur der Übersetzer und Herausgeber sei, so wie er auch ein echtes Manuskript als Linguist bearbeitet, übersetzt und veröffentlicht hätte. Er behauptete das zwar nie direkt, aber es folgt implizit aus vielen Stellen im Herren der Ringe. So ist der Prolog genauso geschrieben, als ob ein heutiger Herausgeber seinen Lesern eine Einführung in den historischen Hintergrund seines Textes geben will. Andere Beispiele sind die Einführung in der überarbeiteten Ausgabe des Kleinen Hobbit, das Vorwort zu den Abenteuern von Tom Bombadil und Teile der Anhänge, besonders das Vorwort zu Anhang A sowie die Anhänge D und F. Besonders interessant sind die Anmerkungen zu den Aufzeichnungen des Auenlandes (Prolog) wo Tolkien noch weitergeht und über das spätere Schicksal der Handschriften berichtet (wonach Frodos Original nicht erhalten bleibt, aber eine von vielen angefertigten Kopien schließlich in Tolkiens Hände kommt). Dieses literarische Konstrukt war keinesweigs eine neue Idee: Viele Autoren haben bereits behauptet, ihre Phantasien wären "wahre" Geschichten einer vergangenen Zeit (auch Umberto Eco in Der Name der Rose benützt eine derartige Technik). Wenige Autoren allerdings haben diese Illusion so gründlich und erfolgreich aufgebaut wie Tolkien. Das wichtigste Mittel, um diesen Anschein aufrechterhalten zu können, waren dabei die linguistischen Aspekte von Mittelerde, denn er war als einziger dazu in der Lage, als "Übersetzer" der Handschriften aufzutreten (siehe FAQ, Tolkien, 4).
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